Qigong und Taijiquan

Qigong und Taijiquan sind traditionsreiche Bewegungssysteme aus China. Sie umfassen bewährte Techniken zur körperlichen und geistigen Entspannung und Stärkung. Sie sind auch im Westen als Instrument zur Pflege der Gesundheit verbreitet. Einen guten Überblick über den Beitrag von Qigong und Taijiquan zur Gesundheitsförderung bietet das Informationsdokument, das die Schweizerische Gesellschaft für Qigong und Taijiquan (SGQT) im September 2020 veröffentlicht hat; es untersucht das Potenzial der chinesischen Bewegungskünste nach den im heutigen Gesundheitswesen gängigen Kriterien Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit.

Im Zentrum von Qigong und Taijiquan steht der Begriff Qi, der näherungsweise oft mit Lebenskraft übersetzt wird. In der Sicht der traditionellen chinesischen Medizin entstehen Krankheiten aufgrund energetischer Ungleichgewichte im Körper. Qigong bezweckt, solche Defizite der inneren Balance wieder auszugleichen bzw. sie gar nicht erst entstehen zu lassen. Zu diesem Zweck wird der Energiehaushalt des Menschen mit entsprechenden Übungen harmonisiert und reguliert. Wörtlich bedeutet Qigong so viel wie „Arbeit mit dem Qi“ oder „Fähigkeit, das Qi zu nutzen“. Qigong-Übungen sind durch langsame Bewegungen gekennzeichnet. Sie können auch Atemübungen, Konzentrationsübungen, Meditationsübungen sowie Übungen zur Dehnung und Kräftigung umfassen.

Qigong fördert die körperliche Stabilität, das innere und äussere Gleichgewicht sowie die Beweglichkeit und die Gelenkigkeit auf sanfte Weise. Die Übungen werden ohne Anspannung und Hektik ausgeführt. Wenn Qigong korrekt praktiziert wird, dann wird es gleichzeitig als angenehm, erholsam und spannend erlebt.

Taijiquan verbindet ebenfalls körperliche Bewegung mit geistiger Vorstellung. Während Qigong meist in Form von isolierten einzelnen Übungen praktiziert wird, umfasst Taijiquan komplexere und deutlich längere Abfolgen von Bewegungen. Diese werden als Formen bezeichnet. Taijiquan wurde ursprünglich als innere Kampfkunst entwickelt; der Begriff lässt sich nicht wörtlich übersetzen. Sinngemäss bedeutet er „waffenlose Kampfkunst nach dem Prinzip der kosmischen Gegensätze“. Dabei ist Kampfkunst nicht zu verwechseln mit Kampfsport. Beim Taijiquan stehen weder die physische Kraft noch der äussere Kampf im Vordergrund. Die eigentliche Bewegung bezieht sich wie beim Qigong auf die Lebenskraft Qi. Die Bewegungen werden deshalb beim Taijiquan ebenfalls sehr langsam, in körperlicher Entspannung und geistiger Fokussierung ausgeführt. Taijiquan wird aus diesem Grund mitunter auch als Bewegungsmeditation bezeichnet.


Neben der Erhaltung von körperlicher und geistiger Gesundheit und Geschmeidigkeit sowie dem Bereich Entspannung und Meditation umfassen Qi-Gong und Tai-Ji noch einen dritten Aspekt. In philosophischer Hinsicht liegen ihre Wurzeln im Daoismus. In dessen Zentrum steht unter anderem die Vorstellung der Polarität von Yin und Yang. Die beiden universellen Kräfte agieren in ständiger Wechselwirkung und gegenseitiger Abhängigkeit. Der Mensch vereint sie und ist immer wieder ihrem Wechselspiel ausgesetzt. Qi-Gong und Tai-Ji haben deshalb auch eine spirituelle Dimension: Sie vermitteln Instrumente, um die beiden Prinzipien Yin und Yang in ein ausgeglichenes Verhältnis zu setzen, so dass der Mensch mit sich selbst und mit seiner Umgebung in Harmonie leben kann.

Und was bedeutet „Yongquan“? In klassischer chinesischer Perspektive ist Yongquan (涌泉 yǒng quán) eine der zentralen Stellen des menschlichen Körpers: Es handelt sich um den Punkt im vorderen Drittel der Fusssohle, der auf der Achse zwischen den beiden Ballen liegt. Als „sprudelnder Quell“ (so eine der Übersetzungen) repräsentiert der Punkt die verbindende Verwurzelung zwischen Körper und Erde. In der traditionellen chinesischen Medizin wird er als „Fitnesspunkt“ eingestuft, im Taijiquan gilt er als Pforte am Fuss für den Ein- und Austritt von Energie.

Beim Stehen und Gehen wird durch das Körpergewicht Kraft an den Boden übergeben. Die Übertragung fokussiert sich im Normalfall auf den Yongquan. Der sprudelnde Quell ist damit bei zahlreichen körperlichen Aktivitäten (insbesondere beim Gehen, aber auch beim Tanzen) zentraler Dreh- und Angelpunkt.